Kritik: FREE RAINER – DEIN FERNSEHER LÜGT [2007]

Das sogenannte „Unterschichten-TV“ boomt. Der einst durch Harald Schmidt populär gewordene Begriff diskreminiert dabei weniger die Zuschauer an sich (als durchweg ungebildet und vermutlich auch noch arbeitslos, zumindest aber geringverdienend) sondern eher die Fernsehsendungen, die vollends auf Affektfernsehen vertrauen und lieber eine weitere Castingshow produzieren, als sich an anspruchsvollere Sendungen zu wagen. Dramatische, „echte“ Schicksalsschläge von Privatpersonen, unsinnige Urwald-Wettstreite zwischen sogenannten Prominenten, romantische Kuppelshows für so dargestellte Randgruppen (die sich damit mehr der Lächerlichkeit preisgeben als das Gegenteil zu erzielen) und Gesangswettbewerbe, deren Sieger dann bei den Zuschauern einen gewissen Ruhm erzielen, die dem Rest der Republik aber gerne weiterhin egal sein dürfen. Bleibt nur die Frage: Sind diese Sendungen so erfolgreich, weil die Zuschauer diese Art der Unterhaltung wünschen, gucken die Leute das, weil sie gar nichts anderes mehr gewohnt sind und demzufolge abstumpfen oder ist die Erhebung der Quote gar eine Riesenverschwörung? „Free Rainer“ nimmt sich dieser Frage an.


Rainer ist auf der Erfolgsspur: Seine von ihm erdachten primitiven Fernsehshows sind erfolgreich und bescheren seinem Sender Traum-Einschaltquoten. Bis Rainer eines Tages einen Mordversuch durch Pegah überlebt. Diese entwickelte einen Hass auf Rainer, da ein Bericht in dessen TV-Show „Report 24“ ihren Großvater in den Selbstmord getrieben hat. Diese Erfahrung macht Rainer nachdenklich und er versucht, mit intellektuelleren Sendungen der Volksverdummung entgegenzuwirken – mit wenig Erfolg. Also greift er zu drastischen Maßnahmen: Der Manipulation der Einschaltquoten, um den Zuschauern zu ihrem Glück zu verhelfen.

Es fällt schwer, den Film richtig einzuordnen, was er sein will. Drama, Komödie, Satire, Tragikomödie – je nach dem, für was man sich entscheidet, mit welchen Erwartungen man in diesen Film geht, so wird man ihn anschließend auch beurteilen. „Free Rainer“ enthält Teile aus allen genannten Genres, will sich aber scheinbar nicht festlegen, oder anders: In diesen Teilen ist der Film nicht konsequent genug. Als Drama zu lustig, als Komödie genau das nicht, als Tragikomödie wird die Tragik zu kurz angeschnitten. Eins ist jedenfalls sicher: „Free Rainer“ prangert das deutsche Quotenerfassungssystem an. Um die 5.000 Geräte messen die Quoten für gut 80 Millionen Deutsche, voll representativ selbstverständlich. Und natürlich drücken auch alle erfassten Haushalte immer die richtigen Knöpfe und sind 100% ehrlich in den Angaben zu ihrem Fernsehverhalten. Die veröffentlichten Quoten sind auch keinesfalls durch die Politik oder die Wirtschaft manipuliert. Oder? Rainer ist sich da nicht so sicher.

Diese Unsicherheit wächst in ihm allerdings erst nach seinem schweren „Unfall“. Innerhalb weniger Filmminuten wird aus dem koksenden TV-Arsch ein nachdenklicher Gutmensch, ob das nachvollziehbar ist – für mich war es das nicht, und auch sein komatöser Alptraum macht nur Sinn, wenn er schon vorher seine Zweifel hatte. Auch wenn man es eigentlich nicht weiß, aber durch die Art der Einführung der Figur Rainer darf man da erhebliche Zweifel haben. Gesinnungswandel per Holzhammer-Methode, und sowas plant Rainer ja auch mit den Zuschauern. Die Erfassung der Quoten ist korrekt? Die Zuschauer gucken tatsächlich Unterschichten-TV? Die wissen halt nicht, was gut für sie ist und müssen zu ihrem Glück gezwungen werden. In einer Szene vergleicht Rainer die Methoden seines Chefs mit Adolf Hitler. Das mag in diesem Zusammenhang noch nachvollziehbar sein, aber ob seine Methode der Beeinflussung des Fernsehprogramms moralisch wesentlich vertretbarer ist, darf durchaus angezweifelt werden. Einer der weiß, was gut für alle anderen ist und das dementsprechend durchsetzt – klingt, politisch gesehen, nicht viel besser. Und beschränkt sich ja zum Ende des Films nicht mehr nur aufs Fernsehprogramm.

Moralisch sind Rainers Methoden also mehr als fraglich, werden aber nicht hinterfragt. Dass sie Erfolg haben, lässt den Film sehr naiv wirken, was dann aber zu den Entwicklungen der einzelnen Charaktere passt. Als Drama zu lustig und unrealistisch, als Komödie oder Satire nicht lustig genug und sich selbst zu ernst nehmend. Die Geschichte wird auf der einen Seite überspitzt dargestellt, nimmt das alles auf der anderen Seite aber auch für bare Münze. Womit wir wieder zur Erwartungshaltung kommen: Wer das ganze nicht wirklich ernst nimmt ist von dem Film aus anderen Gründen enttäuscht als derjenige, der tatsächlich eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema erwartet. Alles wird angeschnitten, nichts durchgezogen. „Free Rainer“ hat sich mehr vorgenommen, als er einhalten kann. Sehr gut, dass sich ein Film diesem Thema überhaupt annimmt, das Ergebnis enttäuscht aber leider. Wobei ich jedoch gerne mehr von Elsa Sophie Gambard sehen würde.

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