Kühe sind keine Mais-Fresser. Die Wildkuh an sich bevorzugt Gras. Sie frisst auch Mais, klar, aber wo das hinführt, sehen wir momentan: Milch mit krebserregenden Pilzen aufgrund von verseuchtem Futtermais aus Serbien. Das Schimmelpilzgift Aflatoxin B1 wurde erst entdeckt, als es im Grunde schon zu spät war, als 10.000 Tonnen schon im Umlauf waren. Als 3.560 Bauernhöfe in Niedersachen schon ihre Kühe damit gefüttert hatten. Staatssekeretär Udo Paschedag fasst das Offensichtliche treffend zusammen: „Je billiger, desto schöner“. Und ein Sprecher des Importeurs Alfred C. Toepfer International sagte der ‚taz‘: „Der Mais war nicht bio-zertifiziert“[1]. Womit wir wieder einmal einen Lebensmittelskandal hätten, bei dem alle etwas davon haben: Die Kritiker des Systems und die Befürworter der Bio-Landwirtschaft.
Das Kühe keine Mais-Fresser sind, das lernt man in Robert Kenners Dokumentation „Food Inc“ aus dem Jahr 2008 recht früh. Denn maisfressende Kühe entwickeln auch Coli-Bakterien, die für den Menschen tödlich sein können. Und dann sieht der Zuschauer, wie der Mais in Amerika im Überfluss produziert wird, subventioniert vom Staat, denn aus Mais kann man fast alles machen, Mais ist fast überall drin: 90% aller industriell hergestellten Lebensmittel enthalten Mais oder Soja – und der Sojabohne wird in dem Film ebenfalls ein extra Kapitel gewidmet. Denn eine Firma hat eine gentechnisch veränderte Sojabohne entwickelt, die gegen das ebenfalls von ihnen entwickelte Schädlingsbekämpfungsmittel resistent ist. Sprüht man damit seine Felder ein, stirbt alles – außer die Sojapflanze. Mittlerweile enthalten laut der Dokumentation 90% aller Sojabohnen in den USA diese patentierten Gene, wodurch die Produzenten dieser Bohne eine ziemliche Vormachtstellung innehaben. Die Landwirte sind auf sie angewiesen – denn Samen für die nächste Saison dürfen sie nicht behalten, sondern müssen diese neu einkaufen.
Aber wenn schon die Kühe und Rinder ein Gesundheits-Risiko für den Menschen darstellen können, dann ist doch mit Hähnchen alles ok? Auch dieser Hoffnung erteilt Kenners Film eine Absage. Der mit größte Hühnerfabrikant Amerikas bezieht seine Hühner von Zulieferern, die so ein Huhn mittlerweile in 48 Tagen zur Schlachtreife bringen, zu tausenden eingesperrt in dunkle Hallen ohne Licht. Dass die „fetten“ Hühner speziell so gezüchtet wurden, ihr Knochenbau das Gewicht aber maximal für ein paar Schritte tragen kann – das ist den Produzenten der Ware Huhn egal.
Mit schockierenden Bilder zeigt Kenner auf, wie mit den Tieren umgegangen wird, wie Schweine regelrecht exekutiert werden (alleine in dem gezeigten Schlachthof zu 32.000 pro Tag!). Durchaus möglich, dass es nach diesem Film den ein oder anderen Vegetarier mehr gegeben hat. Doch es gibt Alternativen: Anhand des Bio-Hofes „Polyface Farm“ sieht man, wie es auch geht: Tiere, die Auslauf haben, Kühe, die nur Gras fressen, Hühner und Schweine, die sich artgerecht im Freien und bei Tageslicht aufhalten dürfen, bevor sie geschlachtet werden. Laut dem Inhaber der Farm, Joel Salatin, ist das ebenfalls profitabel – und wesentlich gesünder. In seinen Produkten seien schließlich weitaus weniger Bakterien gefunden worden wie in der industriellen Massenproduktion.
„Food, Inc.“ zeigt auf, prangert an, lobt den Bio-Anbau. Im Abspann wird der Zuschauer sogar aktiv aufgefordert, die Dinge zu verändern (Regional und saisonal einkaufen, Bio-Produkte wählen). Aber: Der Film hinterfragt nicht wirklich. Die gezeigten Missstände sind sicherlich nicht wünschenswert, aber es muss die Frage erlaubt sein, ob eine Versorgung der Menschen alleine durch Bio möglich – und bezahlbar ist. Wenn eine Familie, die ohnehin knapp bei Kasse ist, sich lieber wie in dem Film gezeigt einen Doppelcheeseburger für 99 Ct. kauft, anstatt selber zu kochen, weil alleine ein Brokkoli-Strunk schon $ 1,29 kostet – dann müssen diese Fragen erlaubt sein. Kenner wird dies mit Sicherheit bewusst sein, doch hätte diese Fragestellung den Film noch mehr überfrachtet. Es reicht für den Anfang, den Zuschauer zu sensibilisieren, und wenn die gezeigten Bilder und genannten Informationen nicht reichen, dass sich die Leute versuchen selber zu informieren, dann wird’s eh schwierig.
[1] NOZ.de
Gute Besprechung eines herausragenden Films, der hier natürlich noch zu schlecht wegkommt, aber immerhin wurde mal eine Dokumentation besprochen, dafür muss man in der deutschen Blogosphäre ja bereits dankbar sein 🙂
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Ich fühle mich geehrt 😉
Und wer weiß, vielleicht bin ich ja jetzt auf den Geschmack gekommen!
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