„An diesem Abend würde es geschehen.“
Bei Büchern und ihren dazugehörigen Filmen ist es ja so: Nach Möglichkeit sollte man erst das Buch lesen, dann die Verfilmung. Zu viele Aspekte können im Film / in der Serie verloren gehen, die aber mit Kenntnis der Vorlage zu einem besseren Verständnis führen können. Außerdem gilt die Grundregel: Das Buch ist meist besser. Jetzt kommt es aber schon mal vor, dass man durch die Verfilmung erst auf das Buch neugierig gemacht wird, dann ist das halt so, so wie in diesem Beispiel: „Dexter“ hat mir in Serienform und auch von der Thematik an sich so gut gefallen, dass es keine Frage mehr war, ob ich das Buch im Anschluss noch lese. Höchstens eine Frage des Zeitpunktes, und der war nun kurz danach. Und, falls das noch erwähnt werden sollte: Ganz spoilerfrei wird das hier nicht ablaufen.
Dexter Morgan arbeitet bei der Spurensicherung der Polizei Miami als Blutanalyst. Dabei kann man sagen, dass er sein Hobby zum Beruf gemacht hat, ist er doch in seiner Freizeit ein soziopathischer Serienkiller – er kümmert sich um die Leute, die von der Polizei aus welchen Gründen auch immer nicht verhaftet werden können, die es aber (aus seiner Sicht) verdient haben zu sterben. Eines Tages taucht ein neuer Serienkiller in der Stadt auf, der in irgendeiner Verbindung zu Dexter steht und mit ihm „spielen“ will – doch Dexter hat keine Ahnung, wer das ist und warum – nur seine Bewunderung, die ist ihm sicher…
„Für einen guten Schrei war von seiner Kehle nicht mehr genug übrig, aber es saß echtes Gefühl dahinter, was für die miserable Technik entschädigte.“
Wer die Geschichte, welche sich im Großen und Ganzen mit der Geschichte der ersten Staffel deckt kennt der weiß, dass der deutsche Titel des Romans etwas unglücklich gewählt ist, lässt sich doch dadurch früh der finale Twist der Story vermuten. Doch anders als in der Serie hat der Showdown im Buch diesen Namen auch verdient: Bis zum Schluss weiß man schließlich nicht, wer hinter den Morden steckt und man weiß auch nicht, dass es etwas mit der Vergangenheit Dexters zu tun haben könnte. Um so plötzlicher kommt die Erkenntnis Dexters, der Zusammenbruch erfolgt am Hafen und in keinem Hotelzimmer voller Blut, und da sich im Nachhinein so ein Vergleich mehr als anbietet: Die Aufarbeitung der Geschehnisse, das Anziehen der Spannungsschraube, all das gelingt der Serie in meinen Augen etwas besser. Was der Roman widerum besser macht: Dexters Schwester Deborah ist zwar auch hier kein Sympathieträger, aber in meinen Augen nicht ganz so nervig und auch, zumindest etwas, cleverer. Rita wiederum tritt komplett in den Hintergrund.
Jeff Lindsays Dexter-Debüt schafft es, dem Serienkiller-Roman neues Leben einzuhauchen, ist es doch der Killer selber, aus dessen Perspektive die Geschichte erzählt wird und der als Sympathieträger fungiert. Die Bösen die er killt haben es schließlich nicht besser verdient. Durch die Tatsache, dass Dexter als Ich-Erzähler auftritt, erfahren wir viel aus seinen Gedanken – wesentlich mehr noch als in der Serie. Der Ton, der dabei angeschlagen wird passt sich der Situation an – mal humorvoll, sarkastisch, aber auch verwirrt, nervös – denn selbst die Möglichkeit, er selber sei der Täter, ist (auch für Dexter selber) nicht ganz ausgeschlossen und wäre auch eine schöne Variante für die TV-Fassung gewesen.
„Des Todes dunkler Bruder“ (o.T. „Darkly Dreaming Dexter“) beginnt nahezu inhaltsgleich wie die Serie (bzw. anders herum), geht aber im Laufe der Story andere Wege und ist dadurch auch für Kenner der ersten Staffel durchaus empfehlenswert. Wer auf blutige (bzw. hier wohl eher: blutleere) Thriller steht, dem sei der erste Teil der Dexter-Romane durchaus ans Herz gelegt – wenn Ihr ihn nicht schon längst gelesen habt.
P.S.: Weiß jemand, ob die zweite Staffel der Handlung des zweiten Romans folgt?
Klingt interessant! Wollte ich auch schon immer mal lesen, aber dazu komme ich noch weniger als zum Filme oder Serien schauen. Steht aber definitiv auf meiner immer länger werdenden Liste…
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Laut der Zusammenfassung auf Wikipedia bedient sich die zweite Staffel nur Elemente des zweiten Romans, wie Doakes wachsender Verdacht gegenüber Dexter und der Entwicklung von dessen Beziehung zu Rita. Kenne aber die Bücher nicht.
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Gut zu wissen. Wollte nicht selber gucken um mich nicht selber zu spoilern. Noch weniger Rita als im ersten Band geht ja fast nicht, weswegen eine Entwicklung nötig wäre.
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Also mittlerweile bin ich, sowohl was die Bücher als auch die Serie angeht mit der jeweils 5. Ausgabe durch und kann – ohne ins Detail zu gehen – sagen, dass sich beide Geschichten ausgehend von Band 1/Staffel 1 mehr und mehr voneinander entfernen und insbesondere das zweite Buch hat mit der zweiten Staffel kaum etwas gemein, auch was die Geschehnisse um Doakes anbelangt, dem in den Büchern ein gänzlich anderes Schicksal beschieden ist.
Es finden sich zwar immer wieder marginale Überschneidungen (auch in den Folgebänden), aber manches bleibt exklusiv der Serie vorbehalten, ebenso wie im Gegenzug in den Büchern Figuren überleben, die in der Showtime-Serie längst das Zeitliche gesegnet haben.
Eine Sichtung beider Fassungen ist meiner Meinung nach durchaus empfehlenswert, zumal sich Lindsays Ausdrucksvermögen (oder das des Übersetzers) im Verlauf der Buch-Reihe steigert und mir insbesondere der 4. und 5. Band ausnehmend gut gefallen haben (siehe entsprechende Rezension(en) auf meinem Blog), wohingegen das dritte Buch einen regelrechten Qualitätseinbruch darstellt, da hier doch allzu sehr in Richtung übernatürlicher Vorkommnisse geschielt wird, die nicht so recht in den Dexter-Kosmos passen wollen.
Hoffentlich konnte ich, ohne zu viel zu verraten, ein wenig helfen 😉
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Hast alles richtig gemacht 😉
Dann kann ich ja ruhigen Gewissens auch beides mehr oder weniger zeitgleich konsumieren… Danke!
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