Kritik: DRIVE [2012]

Alleine vom Titel her assozierte ich Nicolas Winding Refns „Drive“ zuerst mit „Driver“, einem Videospiel für die PlayStation 1. Nach Sicht des Trailer stellte sich zwar relativ schnell heraus, dass es zumindest auf inhaltlicher Ebene keine Gemeinsamkeiten gibt, aber trotzdessen wirkte die Vorschau auf den nur „The Driver“ genannten Fluchtwagenfahrer rasant und actiongeladen, aber dennoch mit ruhigen Momenten versehen. Ryan Gosling spielt den wortkargen Fahrer, und das er spielen kann, weiß man ja spätestens seit „Lars und die Frauen„. Carey Mulligan, wenn schon nicht aus dem Kino, dann doch zumindest bekannt aus einer der Doctor Who-Highlights „Blink„, spielt seinen Love-Interest, so dass zumindest auf der Seite der Schauspieler mit keinen Ausfällen zu rechnen war. Aber wer zur Hölle ist Nicolas Winding Refn? Zumindest war er eins: Die Wahl von Hauptdarsteller Ryan Gosling, und eines ist er, um es vorwegzunehmen, auch: Eine gute Wahl. Wahren Cineasten (also nicht mir) am ehesten bekannt durch seine „Pusher“-Trilogie oder „Valhalla Rising“, werde ich mir den Namen wohl spätestens jetzt merken müssen, da er für das Remake von „Logans Run“ im Gespräch ist. Denn mit „Drive“ hat sich gezeigt: Der kann was.

Der namenlose Fahrer verdient tagsüber sein Geld in der Autowerkstatt seines einzigen Freundes Shannon und betätigt sich nebenbei noch als Stuntfahrer für Filme. Er ist ein ruhiger Einzelgänger, bis er eines Tages seine Nachbarin Irene und ihren Sohn kennenlernt. Zwischen den beiden entwickelt sich langsam eine Romanze, bis eines Tages ihr Mann aus dem Gefängnis entlassen wird. Was niemand weiß: Goslings Charakter verdient sich des Nachts ein paar Dollar als Fluchtwagenfahrer, Irenes Mann hat aus Gefängniszeiten Schulden, die beglichen werden müssen. Und der Fahrer hat vor, ihm dabei zu helfen…

Bei der Inhaltsangabe kommt einem doch gleich ein anderer Film in den Sinn: Ein testosterongeschwängerter Actionstreifen mit wilden Crashs und Verfolgungsjagden, eventuell mit Jason Statham in der Hauptrolle, der alles zu Brei schlägt, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Eine Mischung aus „Transporter“ und „Fast & Furious“, „Need for Speed“ auf der großen Leinwand. Aber, und das ist die positive Überraschung: Dem ist nicht so, und das macht der Film gleich zu Beginn deutlich. Der Fahrer heizt nicht wie ein Berserker durch die Stadt – er versucht, nicht aufzufallen, hält auch mal im Dunkeln, versteckt sich, lauscht dem Polizeifunk und geht eher taktisch vor. Fünf Minuten gibt er seinen Auftragsgebern Zeit, in denen alles passieren kann, in denen er zur Verfügung steht – und Regeln müssen sein, das wissen wir seit dem „Transporter“. Nur das der sich nicht dran gehalten hat.

So wie der Fahrer eher der ruhige Typ ist, sich zurück hält und lieber abwartet, so spielt Gosling ihn auch. Mit stoischem Blick und Zahnstocher im Mundwinkel hat er nicht viel zu sagen, zumindest nicht mehr als nötig, und erst durch die Bekanntschaft mit Irene beginnt er, sich zu verändern. Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass sich das doch recht langatmig- und weilig anhört, wenn der Film so ruhig ist. Tatsächlich aber gelingt es „Drive“, besonders in diesen Momenten mehr Emotionen zu transportieren als der durchschnittliche Frauenfilm über die gesamte Laufzeit. Manchmal sagen Blicke doch mehr als tausend Worte.

Und es ist ja nicht immer so, denn irgendwann wird der Zuschauer durch den ersten Schuss aus den Sitzen gerissen. Die in „Drive“ gezeigte Gewalt ist roh, wird explizit gezeigt und deckt schonungslos auf, in welcher Welt der Film spielt. Die Mafia wirft nicht mit Wattebällchen, der Fahrer wehrt sich nicht durch Zwangsbekuschelung. Das mag dem einen oder anderen zu übertrieben sein, meiner Meinung nach passt das aber zu dem Film. Und es ist nichts, was man unbedingt von Goslings Figur erwartet, hat er doch nicht wirklich die Statur eines Jason Statham.

„Drive“ ist ruhig und sentimental, „Drive“ ist aber auch laut und brutal. Die Symbiose dieser beiden gegensätzlichen Parts macht aus dem Film, was er ist: Eine fast perfekt erzählte Geschichte über einen Fahrer, dem seine aufkeimenden Gefühle für eine Frau und ihr Kind fast zum Verhängnis werden. Grandiose Aufnahmen, ein passender Score und ein ideal besetzter Cast: Es gibt sie noch, die guten Filme.

„Drive“ – ab 29.06.2011 auf DVD und Blu Ray erhältlich

18 Kommentare

  1. bullion · Juni 5, 2012

    Alles jubelt über den Film. Scheint so als müsste ich mir den tatsächlich auch noch anschauen. Hast du wohl ein Rezensionsexemplar erhalten?

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    • Xander · Juni 5, 2012

      Tatsächlich: Es gibt schlechtere Filme, die man sich anschauen kann. Der Film könnte Dir glaube ich auch gefallen!
      Und ja, habe eine Rezensions-BD erhalten.

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    • bullion · Juni 5, 2012

      Und ich bekomm immer nur Anfragen von Leuten die wollen dass ich ihre Trailer poste… tsts… 😉

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    • Xander · Juni 5, 2012

      Ja, das auch. Wobei ich gute Trailer auch ohne Anfragen poste und nicht WEGEN der Anfrage.

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  2. Dos Corazones · Juni 5, 2012

    Ich will auch Rezensions-Exemplare bekommen. hmpf …

    Naja, du hast auf jeden Fall Recht – der Film ist ein ungewöhnlicher Mix aus roher Gewalt und schon fast elendig ruhigen Passagen. Wurde durch die Trailer mal abgesehen von der Musik, meiner Meinung nach vollkommen verfälscht dargestellt. Da wirkte es noch eher wie ein Actionfilm à la TRANSPORTER – und war für mich damals ziemlich uninteressant. Aber als ich den gesehen habe, hat er mich in seinen Bann gezogen. So scheint es den meisten zu gehen. Grandioses Kino. Leider soll es ja eine Fortsetzung geben, kann mir kaum vorstellen, dass die ebenso gut wird.

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    • Xander · Juni 5, 2012

      Wobei die Gewalt durch die ruhigen Passagen noch mehr Wirkung entfaltet – insofern passt das schon!

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  3. therudi · Juni 6, 2012

    Jop.

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  4. donpozuelo · Juni 6, 2012

    Jawoll ja! Geiler Film!

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  5. maloney · Juni 6, 2012

    Genial! Brilliant! Umwerfend!

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    • Xander · Juni 6, 2012

      Ich verspüre einen leichten Anflug von Ironie in dieser Runde.
      Bitte unterlassen Sie das.

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