„Wenn du alles riskierst, wer zahlt den Preis?“
Bei unserem letzten Besuch Berlins stand unter anderem auch ein Besuch des Spreeparks an. Ein alter Freizeitpark, soviel wussten wir, der gammelt da so vor sich hin. Der ehemalige Eingang, blickdicht verschlossen durch einen Bretterzaun, „Betreten verboten“-Schilder alle paar Meter. Ein Blick durch eine Zaunlücke offenbart das Offensichtliche: Hier war tatsächlich mal ein Freizeitpark. Aber das kündigt ja auch schon das Riesenrad an, von Weitem sichtbar überragt es den Wald um einiges. In der Nähe des Zauns – ein Wohnwagen, davor ein kleiner Pool. „Da wohnt der ehemalige Eigentümer“ sagt man uns, und das klingt schon recht lustig, dass der jetzt in seinem alten Freizeitpark wohnt, der langsam vor sich verwildert.
In den Park kommt man nicht, wenn man sich nicht für eine Führung angemeldet hat, und so bleibt uns nur der Weg darum herum. Immerhin – nach einigen Metern lichtet sich der Bretterzaun und lässt weitere Einblicke zu. Eine kleine Eisenbahn, auf Hochglanz poliert – wozu das noch? Im Gegensatz dazu die kleine Holzbühne, fast verrottet und man kann nur mutmaßen, dass diese wohl als Ort der Kinderbelustigung diente.
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Sehr viel sieht man nicht mehr im alten, ehemaligen Kulturpark der DDR. Man gewinnt den Eindruck, dass es wohl nicht so viele Attraktionen gab, so viel Platz scheint es zu geben. Das viele von diesen allerdings verstreut in Peru zu finden sind, davon ahnt man hier nichts. Man sieht das Riesenrad und fragt sich „Wann kippt das wohl um?“, man sieht die alten Bahnen und denkt, dass sich die Natur ihren Platz zurückfordert. Das auch der Sohn des ehemaligen Eigentümers gerne zurück möchte, nämlich nach Deutschland, weil er in Südamerika im Gefängnis sitzt – auch davon ist hier nichts zu spüren. Wie denn auch. Peru ist weit weg. Und erklärende Hinweisschilder gibt es nicht.
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Doch nun hat sich Regisseur Peter Dörfler dem Spree-Park angenommen, und herausgekommen ist eine Dokumentation, die ihre Wirkung dadurch noch verstärkt, das man sich jederzeit die Ruinen des ehemaligen Freizeitparks anschauen kann. Ansonsten würde man die Geschichte wohl auch kaum glauben, zu sehr klingt diese nach einem durchgeknallten Hollywood-Drehbuchautor. Der Ruf des Schaustellers Norbert Witte erleidet einen schweren Schlag, als er 1981 einen schweren Unfall auf einem Hamburger Volksfest mitverschuldet und dabei 6 Menschen starben. Das dies jedoch seinem weiteren Werdegang nicht im Weg stand, wird anhand dieses Films sehr gut deutlich gemacht.
Nach einem Abstecher durch Jugoslawien und Italien kehrt Witte zurück nach Deutschland und übernimmt den Spreepark Plänterwald. Nachdem die Zuschauerzahlen in den laufenden Jahren immer weiter bergab gingen, flieht Witte mit seiner Familie vor den 15 Millionen Schulden nach Peru, im Gepäck einige seiner Fahrgeschäfte. Als es auch dort nicht klappte, versuchte er sich durch Schmuggel von ca. 170 kg Kilo Kokain nach Deutschland zu sanieren – mit dem Ergebnis, dass er sieben Jahre in Deutschland im Gefängnis saß, sein Sohn aber noch immer in Peru im Gefängnis sitzt – voraussichtlich auch noch die nächsten zwanzig Jahre.
Link Tipp: Norbert Witte – Das verlorene Reich des Rummelkönigs
Dabei begeht die Dokumentation nicht den Fehler, sich auf irgendeine Seite zu schlagen. Auch nimmt der Teil über den eigentlich Park einen relativ kleinen Platz ein. Vielmehr ist der Film fast eine Charakterstudie Wittes, in welcher seine Aussagen nicht groß widerlegt werden müssen. Man merkt auch so: Eigentlich ist ja gar nicht schuld, vereinfacht: Das System ist schuld, dass das alles passiert. Das dies so nicht 100% stimmen kann, da kommt man auch ganz alleine drauf.
Achterbahn ist eine höchstinteressante Doku, die es schafft, dass man sich nach dem Film noch mehr oder erst recht für das Thema interessiert. Das sogenannte „Internet“ ist eh voll von Informationen und Berichten, so dass man sich zum Fall Spree-Park umfassend informieren kann: Vor Ort, im Kino bzw. auf DVD und im Internet. Denn Norbert Witte ist noch nicht fertig: Die nächsten Pläne hat er schon im Kopf, um wieder ganz groß ins Geschäft einzusteigen…
P.S.: Nach dem Film ist die Tatsache, dass Herr Witte in seinem Wohnwagen auf dem Parkgelände wohnt, auch nicht mehr ganz so lustig.
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