Kritik: HARD CANDY [2006]


„Ist das unser Spiel?“
– „Das Spiel ist vorbei. Es wird Zeit, aufzuwachen!“

Ganze fünf Schauspieler nennt der Abspann. Fünf Rollen, von denen drei nicht wirklich erwähnenswerte Nebenrollen sind, denen nur ein bis zwei Szenen gegönnt sind. Die Rollen scheinen klar verteilt in David Slates Kammerspiel Hard Candy, doch dieser Eindruck täuscht ebenso wie der vielleicht zu Beginn des Films vermutete weitere Verlauf der Handlung. Ellen Page und Patrick Wilson verkörpern hier das scheinbar Gute gegen das scheinbar Böse in einem Film über Selbstjustiz mit einem Thema, welches heikler vielleicht gar nicht sein kann: Pädophilie und ihre Bestrafung, das Verhalten eines möglichen Opfers und dessen Folgen. Gelingt es dem Film des Regieneulings Slade, diese Thematik aufzuarbeiten, ohne gängige Klischees zu bedienen oder in pures Schwarz-Weiß Denken zu verwandeln?


„Der Begriff Hard Candy steht im englischen Internet-Jargon für ein minderjähriges Mädchen, das sexuell aufreizend wirkt. [Wikipedia]“

Thonggrrrrrl14 und Lensman319 kennen sich seit einigen Wochen. Sie haben sich einiges anvertraut, wissen, was der andere mag und haben begonnen, Interesse füreinander zu entwickeln. Lensman319, das ist der 32-jährige Jeff, erfolgreicher Fotograf und Single. Und Thonggrrrrrl14 – das ist die 14-jährige Haley. Beide kennen sich nicht wirklich, sondern haben in all der Zeit nicht mehr als miteinander gechattet. Nach vielen Texten mit endlosen sexuellen Anspielungen scheint die Zeit reif für ein persönliches Treffen. Jeff nimmt Haley mit zu sich nach Hause, und nach Musik und Alkohol sind beide in der Stimmung für ein erotisches Fotoshooting – als plötzlich bei Jeff die Lichter ausgehen. Als er wieder erwacht, sitzt er gefesselt auf einem Stuhl, vor ihm stehend eine plötzlich sehr gefährlich wirkende Haley…

Hard Candy ist alleine vom Thema her schon recht schwierig. Wie eine Geschichte über einen Pädophilen zeigen, ohne eben das Pädophile zu zeigen? Zum einen ist die Wahl einer älteren Hauptdarstellerin der richtige Weg. Und Ellen Page auf diesem Weg genau die richtige Wahl. Man könnte wirklich meinen, sie sei erst 14 in diesem Film und ist für die Rolle ebenso sehr geschaffen. Ihre Mimik wechselt augenblicklich zwischen Hass, Heiterkeit, Wut und Trauer hin und her und das wirkt keinesfalls lächerlich. Zum anderen schafft es der Film, das Thema zu bearbeiten, indem er die Neigungen des Protagonisten eben NICHT zeigt. Nackte Mädchen wird man in diesem Film nicht finden. Nur Haley sieht auf Fotos, was der Zuschauer nur ahnt.

„Es gibt Bundesgesetze dagegen. Nach offiziellem Wortlaut wird das als ‚krank‘ bezeichnet.“

Was im weiteren Verlauf in dem Film geschieht, sollte nicht en detail verraten werden, ist jedoch äußerst diskussionswürdig. Selbstjustiz wird in vielen Filmen thematisiert, doch besonders das Ende der Geschichte macht die ganze Sache doch etwas fragwürdig. Sicherlich, verstörend ist es, doch um nach dem Film noch länger darüber nachzudenken ist das ganze dann doch nicht eindringlich genug. Zu sauber geht hier alles über die Bühne, zu sehr hängt sich der Film an seinen Gewaltszenen auf. Die Dialoge zwischen Haley und Jeff (und davon gibt es genug, irgendetwas müssen die beiden Personen ja über die Laufzeit machen) sind zwar ausgefeilt, kommen aber irgendwie ziemlich platt daher. Zusammen mit der stylishen, spartanischen Wohnung und den wechselnden Farbfiltern (deren Intention viel zu deutlich gemacht wird) soll zwar so etwas wie intellektueller Tiefgang suggeriert werden, welcher jedoch nicht wirklich vorhanden ist.

Hard Candy ist recht spannend, nicht immer vorhersehbar und auch durchdacht. Die Schauspieler, insbesondere Ellen Page, agieren hier auf ganz hohem Niveau. Doch für einen sehr guten Film reicht es nicht ganz, es fehlt an Intensität und vielleicht auch an etwas Tiefgang. Das Ende ist in meinen Augen etwas fragwürdig, aber insgesamt ist der Film durchaus sehenswert.

3 Kommentare

  1. Die Zange · Juli 29, 2009

    Also ich fand den Film klasse. Größtenteils wegen einer super tolle Ellen Page, hatte damals Juno und An American Crime vorher gesehen. Sicherlich haben mich andere Psychothriller schon härter fertig gemacht, aber in seinen Grenzen ist der Film gut.
    Ist aber auch schwierig die Grenzen bei einem so heiklen Thema nicht zu überschreiten. Fands dennoch gut umgesetzt.

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  2. Wortman · Juli 30, 2009

    Mir hat der Film auch recht gut gefallen.

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  3. Pingback: Kritik: THE TRACEY FRAGMENTS [2007] « at the movies – filme. tv. sowas.

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